Kapitel 5.
"Der Glaube versetzt Berge"
Was ist das für ein Glaube, der Berge versetzt? Menschen haben in Krankheiten die Erfahrung gemacht, dass ihr Glaube alle Grenzen überschritten hat, dass das Unmögliche wahr wurde; sie wurden gesund gegen jede wissenschaftlich-medizinische Prognose - eine Erfahrung, die mit dem Verstand nicht erklärt werden konnte. Und die Patienten hatten dabei das Gefühl, dass die Berge der Angst und Unsicherheit wie weggeblasen waren.
“Der Glaube versetzt Berge” ist ein Satz aus dem Buch, das der glaubende Matthäus der Nachwelt hinterlassen hat. Er schrieb aus dieser Erfahrung ein Evangelium, eine gute Nachricht, um weiterzugeben: glaubt den Worten des Jeshua aus Nazareth- seine Worte werden euch heilen und retten.
Den Worten glauben und vertrauen, dass es gut wird: prototypisch ist das Beispiel von Abraham. Gott spricht zu ihm: “Zieh aus deinem Vaterland, aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will”. Und dann wird erzählt, wie Abraham dieser inneren Stimme folgt-und dann heißt es weiter: “Abraham glaubte dem IHWH (dem HERRN), und ER rechnete es ihm als Gerechtigkeit an”(Gen 15,6). Das macht deutlich: diese innere Botschaft bedeutet Aufbruch zu neuen Zielen, eine neue Richtung einschlagen, die vertrauten und gewohnten “Berge” zu verlassen, auch wenn fremde Berge sich entgegenstellen. Tun, als ob die Berge, die vor einem stehn, ins Wasser sinken, tun, als ob das Ziel bekannt ist. Sich mit anderen aufmachen.
Das Beispiel Abraham zeigt, welche Kraft und welches Vertrauen hinter inneren Überzeugungen steckt und wie solche Kraft unser Leben selbst im Alltag prägt: “Glaubst du, dass du die Prüfung wirklich schaffst? Glaubst du, dass eure Ehe noch zu retten ist? - um nur zwei Beispiele zu nennen. Überall dort, wo es darum geht, die Berge von Problemen im Alltag zu meistern, ist ein starker Wille gefragt und ein ebenso starker Glaube: “ich glaube, ich vertraue darauf, dass es gut wird”. Und dann macht man sich auf den Weg, die anstehenden Berge mit Verstand zu meistern.
Woher kommt diese Kraft des Glaubens?
Die These ist: Wahrer Glaube bzw. die Kraft, Berge zu versetzen, wurzelt in der Einheit von Liebe und Weisheit und wirkt dann wie eine Lebensquelle, die Energie und Vitalität für unsere inneren und äußeren Herausforderungen bereitstellt. Dieser Glaube, der aus der Quelle der göttlichen Weisheit schöpft, stärkt nicht nur den Einzelnen, sondern bereichert auch die Beziehungen zu anderen, indem er ein Klima des Verständnisses, der Unterstützung und der gemeinsamen Entfaltung schafft.
Baruch Ashlag (1906-1991), ein weiser Gelehrter, beschreibt den Weg des Glaubens als einen Lernweg: “Was ist ein „weiser Schüler“? Baal HaSulam sagte, dass es ein Schüler ist, der von einem Weisen lernt. Das heißt, der Schöpfer wird „weise“ genannt, und ein Mensch, der von ihm lernt, wird „Schüler des Weisen“ genannt. Was sollte man vom Schöpfer lernen? Er sagte, dass der Mensch nur eine Sache vom Schöpfer lernen sollte. Es ist bekannt, dass der Schöpfer nur geben will. Ebenso sollte der Mensch von ihm lernen, ein Geber zu sein. Dies wird ein „weiser Schüler“ genannt.” (aus Rabasch, Artikel 1988/12 Was sind Tora und Arbeit auf dem Weg des Schöpfers?)
Ein weiser Glaube lernt zu geben. “Geben” wird hier als eine göttliche Eigenschaft beschrieben. Und Geben entfaltet sich als Wohlwollen, als Liebe - was wiederum erfahrbar ist in Verbindung mit anderen Menschen bzw. in einer Partnerschaft und Freundschaft. In einer Begegnung, die von authentischer Liebe und einem tiefen Bewusstsein geprägt ist, wird der Glaube zu einer Kraft, die über die persönlichen Grenzen hinaus strahlt. So erwächst aus dieser Einheit ein transzendentes Feld, in dem das Bewusstsein zweier Menschen verschmilzt und sich zu einem Raum der Heilung im Göttlichen entwickelt. Dieser transzendente Glaube ist kein bloßes Gefühl, sondern eine bewusste Erfahrung, die tief im Selbst und in der Verbindung zum anderen verwurzelt ist. Wenn der Mensch auf diese Weise im Einklang mit sich, seinem Partner und Freunden steht, kann sich die göttliche Qualität des Glaubens als schöpferische und heilende Energie offenbaren, die tatsächlich „Berge versetzen“ kann – indem sie die gemeinsame Erfahrung in eine höhere, erfüllte Ordnung bringt, die nach Einheit strebt und Trennungen überwindet.
Zusammenfassung
Formal ist der Glaube ein Tun bzw. ein Denken als ob. In einer Zeit, in der es so aussieht, als ob Katastrophen und Kriege zu Bergen anwachsen, die unüberwindbar scheinen, könnte es wichtig sein, dass wir Menschen uns dieser besonderen Eigenschaft des Glaubens besinnen: so tun, als könnten wir die Berge abtragen. Aber das allein reicht nicht. Der Glaube braucht eine Quelle, aus der er sich speist und aus der er Kraft schöpft. Und genau dort, wo wir glauben, dass wir mit unserer menschlichen Weisheit und unserem Verstand am Ende sind, fängt dieser Glaube an.
Dieser Glaube ist keine abstrakte Idee, sondern lebt aus einer lebendigen Kraft, getragen von Liebe und unerschütterlichem Vertrauen in die Wahrheit ihrer Verbindung. Wenn Menschen nicht nur an ihre Liebe glauben, sondern auch an die heilende Kraft der Verbindung, wird ihr gemeinsamer Glaube zur Quelle einer transzendenten Energie, die das Denken und das Bewusstsein tiefgreifend verändert bzw. transformiert. Die Heilung, die daraus entsteht, berührt nicht nur die physischen, sondern auch die emotionalen, mentalen und spirituellen Ebenen – ein ganzheitlicher Prozess, der uns Menschen in ein gemeinsames und harmonisches Schwingungsfeld versetzt, das uns spüren lässt, als ob wir als Menschen und Geschöpfe trotz all unserer Unterschiede zu einer Einheit verschmolzen sind.
Menschen, die in ihrem Glauben diese göttliche Kraft als heilend, liebend und verbindend erleben, sagen diese Wahrheit frei heraus: “Der Glaube versetzt Berge”! Diese gemeinsame Kraft aktiviert die Selbstheilungskräfte und führt zu einem erweiterten Bewusstsein, in dem Ich und Du zu einem harmonischen Wir verschmelzen. Diese Verbindung zum Wir wird zur Brücke, die das Leben in Einklang mit einer größeren Ordnung führt – einem spirituellen Gesetz, in dem der Glaube tatsächlich Berge versetzt.
So offenbart sich in einer solchen Verbindung die tiefe Wahrheit, dass Glaube, Liebe und Geben eins sind. Diese Einheit wird zur lebendigen, kreativen Kraft und bereichert das Leben der Menschen in ihrer Umgebung. In diesem Zustand erfahren sie, dass alle Dinge – Liebe, Glaube, Wahrheit und Heilung – letztlich Ausdruck einer einzigen, göttlichen Kraft sind, die sie miteinander und mit dem Ganzen verbindet.
Dieser Glaube versetzt auch Berge, indem er Herz und Verstand so zusammenbringt, dass das Herz ein Verlangen spürt nach der göttlichen Quelle und nach Sinn, und der Verstand erkennt: nur wenn ich aus dieser Quelle trinke, wird mein Durst gelöscht - voller Poesie gesungen in Psalm 42: “Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir” - um am Ende dankbar zu bekennen: nur aus der Höheren Kraft wächst alle lebendige Kraft und Hilfe. Sie allein macht das Leben reich. Ein solcher Glaube bringt Licht in unser Bewusstsein und klärt uns auf über unser Menschsein, unsere wahre Situation als Menschen auf unserer Bühne des Lebens: entweder wir finden gemeinsam zurück zu unserem göttlichen Ursprung und suchen das Gemeinsame und Verbindende oder wir leiden weiter an unseren Trennungen und Zerstörungen.