Atemschule  
 

Kapitel 3 & 4

Der zerbrochene Seele

Stellen wir uns vor: Die Welt ist ein Haus, ein unendliches großes Universum. In diesem Welthaus leben inzwischen über 8 Milliarden Menschen - Tendenz nach oben. Auffällt die Buntheit und Verschiedenartigkeit von Menschen und Kulturen, so verschieden wie die Landschaften, in denen sie leben.

Stellen wir uns weiter vor: in jedem der 8 Milliarden Menschen ist ein unsichtbarer Splitter eingepflanzt, der Splitter einer Menschheitseele, die ursprünglich ganz war und dann zerbrechen musste. Die Menschen haben sich im Laufe von zwei Millionen Jahren in diesem Welthaus entwickelt, ausgebreitet, sie haben sich durch Erfindungen das Leben erleichtert, Krankheiten besiegt  und in einem Teil der Welt die Lebenserwartung erhöht. Sie haben Fahrzeuge entwickelt, um in kurzer Zeit lange Distanzen zu überwinden. Sie haben ein Herz entwickelt für kranke und schwache Menschen und auf der anderen Seite Kriege geführt, Mitmenschen gequält und zu ihren Sklaven gemacht. Diese Entwicklung dauert bis heute an. Aber irgendwie ist den meisten Menschen verborgen geblieben der Seelensplitter in ihnen. Warum ist es so wichtig, diesen Splitter, den keiner je gesehen hat, zu entdecken? Was könnte diese Entdeckung zur größten gewaltfreien Revolution machen?

Die Geschichte von der zerbrochenen Seele ist eine alte Erzählung. Sie ist schwer zu verstehen in einer Welt, die auf Technik programmiert ist, wo es um exakte und nachweisbare Messdaten geht. Der Seelensplitter kann nicht geortet werden, wie das Herz, die Leber oder die einzelnen Glieder des Menschen. Sie hat mit dem Skelett-Menschen nichts zu tun. Der Seelenteil muss gespürt werden. Und ist er einmal entdeckt und hat der Mensch Geschmack darauf bekommen, mehr zu erfahren über dieses unbekannte Etwas, das spirituelle Fachleute den “Punkt im Herzen” nennen, dann steht er vor einer großen Veränderung.

Warum? Zum einen sieht er die Menschen um sich herum mit anderen Augen, denn sie haben ja auch diesen Punkt, und zum anderen spürt er, dass alle Teil eines großen Ganzen sind.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Wissenschaftler über solche Erzählungen müde lächeln, sie als Spinnerei abtun. Sie erkennen die Wahrheit nicht und damit nicht an. Erzählungen sind für sie Erzählungen, schön zu lesen, mehr auch nicht. Die Wahrheit offenbart sich dem, der sich  mit Verstand und Gefühl einlässt und das Wesen des Menschen mit anderen Augen studiert. Es geht nun in anderer Weise um Wissenschaft und Studium und angewandte Praxis.


4. Die andere Wissenschaft

Wissenschaft stellt Allgemeingültigkeit her, ausgehend von Einzelbeobachtungen. Sie klärt ihre Begriffe und legt ihre Methoden dar, wie sie arbeitet, um zu Ergebnissen zu gelangen. Sie stellt der übrigen Welt der Wissenschaft ihre Ergebnisse und Entdeckungen zur Diskussion. Inzwischen kooperieren unterschiedliche Wissenschaftszweige, stellen Netzwerke her und kommen dadurch zu überraschenden Ergebnissen, wie am Beispiel “Sterben und Tod”. Der Blick über den “eigenen Tellerrand” hinaus erweitert die  Sichtweise und führt zu interessanten neuen Ergebnissen.
Wie geht Wissenschaft mit Spiritualität um und was hat Spiritualität mit Wissenschaft zu tun?

Spiritualität steht quer zu einer Wissenschaft, die davon ausgeht, dass es nur eine messbare Wirklichkeit gibt. Seit 300 Jahren setzt sich ein wissenschaftliches Denken durch, das sich grob mit Messen und Zählen umschreiben lässt: Kräfte werden gemessen, Entfernungen, Zeit, Räume - sowohl im weiten Universum, als auch in kleinsten Teilen und Elementen. Was nicht durch Zahlen belegt werden und im Experiment bestätigt werden kann, hat keinen Wert, ist nicht existent. Es kann nicht bewiesen werden, dass mehrere Welten und Wirklichkeiten existieren, also gibt es sie nicht. Vielleicht haben wir nicht die Messinstrumente, die andere Wirklichkeiten belegen, von denen Menschen erzählen. Vielleicht haben wir auch ein eingeschränktes Bewusstsein. Und vielleicht müssen wir uns tatsächlich als Menschen zugestehen, dass unser menschlicher Erkenntnisapparat gar nicht dazu geeignet ist, andere Dimensionen unserer Wirklichkeit zu erfassen. 

Der große Physiker Albert Einstein hat über das Erfassen dieser anderen Dimension geschrieben: “Das Schönste, das wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen…Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtender Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht die wahre Religion aus: in diesem Sinn und nur in diesem gehöre ich zu den tief religiösen Menschen”. (Einstein, mein Weltbild, Frankfurt, 1956, S.9).

Für dieses  “Grundgefühl”, das Albert Einstein hier beschreibt, hat ein Philosoph als  “Sehnsucht nach dem ganz Anderen” (Max Horkheimer) in Worte gefasst. Gemeint ist unsere Sehnsucht nach einem Leben in Frieden, nach einem würdigen Miteinander, die Sehnsucht nach Sinn, der Orientierung bietet in einer zerbrechlichen und undurchschaubaren Welt. Es ist eine Sehnsucht, dass das Leben auch über den Tod hinaus ein Ganzes ist und nicht so bruchstückhaft und zersplittert, wie wir es oft wahrnehmen und erleben.
Könnte es sein, dass diese Sehnsucht nach dem ganz Anderen zu tun hat mit dem “Punkt im Herzen”, wie bereits oben erwähnt, vergleichbar einem sechsten Sinn, dass es beinahe so aussieht, als sei uns Menschen ein kleiner Punkt eingepflanzt, den es zu entwickeln gilt. Nennen wir diesen Punkt “Seele”.

Es ist eine Tatsache, dass viele Menschen heute ihre Aufmerksamkeit nach Innen richten, auf der Suche nach dem ganz Anderen, nach Sinn, nach Glück, nach Echtheit, nach Liebe, und sie machen dabei Erfahrungen mit anderen Welten und Kräften, dem Göttlichen, Erfahrungen, die unseren Verstand übersteigen und mit den heutigen naturwissenschaftlichen Methoden auch nicht zu erfassen sind. Aber diese Erfahrungen existieren. Es muss also ein Wissen bzw. eine andere Form von Wissenschaft geben, die diese Erfahrungen ernst nimmt, sie beschreibend zur Sprache bringt und das System sichtbar macht, aus dem diese spirituellen Erfahrungen ihre Kraft beziehen. Auch wenn diese Kräfte nicht messbar sind, sind sie Teil unserer Wirklichkeit. Diese ‘andere’ Wissenschaft, die sich im Zusammenhang von Spiritualität um  Klarheit bemüht, hat darum offenzulegen, was unter dem Begriff “Spiritualität” zu verstehen ist.